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Seume-Stube im Heimatmuseum

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Rathaus Rückmarsdorf

Artikel des Monats

Die Straßennamen in Rückmarsdorf Teil 13

Die Namen der Straßen von Rückmarsdorf erweisen sich bei genauerer Betrachtung als auf-schlussreiche Dokumente zur Entwicklung des Ortes, sie bewahren und berichten Wissenswertes aus seiner Geschichte, aus der Natur und von den Menschen, die hier gelebt und gewirkt haben.

 

Wachberg

Diesen Namen trägt eine 2006 teils noch als Feldweg existierende Straße am Rande des gleichnamigen Landschaftsschutzgebietes auf der höchsten Erhebung des Ortes. Entstanden ist der in unserer Zeit bis zu 133,5m über den Meeresspiegel ragende Hügel in der so genannten Saalekaltzeit, während unter klimatischen Bedingungen ständigen Frostes in Zehntausenden von Jahren Gletschermassen aus Skandinavien Sand und Geröll mit dem Eis auch in unsere Gegend geschoben haben. Nachdem das ehemals 100 bis 300m mächtige Gletschereis still stand und vor etwa 12.000 bis 10.000 Jahren abschmolz, setzten sich die von ihm mitge-brachten Sande und Gesteine ab und bildeten in unserer Umgebung die Rück-marsdorf-Dehlitzer Endmoräne, die sich vom Bienitz über den Sandberg und Wachberg, über Leipzig-Grünau und im Bogen über Kitzen, Starsiedel, Rippach, Dehlitz bis zur Saale entlangzieht.

 Der gewaltige Druck hatte dabei den Untergrund zum Teil verformt und hier am Wachberg beispielsweise Lehmkegel gebildet, zwischen denen sich die Sandablagerungen ausbreiteten.

Das Schmelzwasser floss nach beiden Seiten zur Elster bzw. zum Zschampert ab, der damals etwa 30m breit war.

Entsprechend diesen geologischen Voraussetzungen erfolgte in der Jetztzeit besonders im Zeitraum von 1880 bis 1980 in großem Umfang Sandabbau. Rund um den Gipfel waren (außer im Nordwestsektor des Hügels) Sandgruben angelegt worden, die größten von der Westend-Baugesellschaft Leipzig (im Nordosten des Berges) und vom Fuhrunternehmen Richter, Rückmarsdorf (Südwesten bis Südosten). Anfangs erfolgte die Arbeit mit der Schaufel und mit Pferdefuhrwerken, ab 1935 mit Förderbändern und Zugmaschinen. Natürlich sind dabei auch eine ganze Menge historische und prähistorische Funde gemacht worden, aber durch Unkennt-nis oder Furcht vor Verzögerung der Abbauarbeiten sind nur wenige geborgen und einer wis-senschaftlichen Auswertung zugeführt worden. Während der Abbauzeit waren in den bis zu 18m tiefen Gruben die Lehmkegel, die man stehen ließ, sichtbar.

Vom Wasserturm bis zum oberen Grubenrand musste ein Sicherheitsabstand gehalten werden. Ohne die Existenz des Turmes wäre der Berg vollständig abgeräumt worden.

Von 1955 bis 1985 verheilten die Wunden, die man ihm geschlagen hatte, durch Verfüllung. Vor allem Industriebetriebe am Leipziger Westrand nutzten die Gruben zur Entsorgung ihrer Abfälle wie zum Beispiel Asche, Gießereirückstände oder Bauschutt, sogar lösungsmittelhaltige Reste von der Farbherstellung und Müll der Sowjetarmee-Kasernen verschwanden am Wach-berg, ein geringerer Anteil stammte von der Bevölkerung, die den Hausmüll dort abkippte.

So besteht heute die Substanz des Hügels nicht mehr aus eiszeitlichem Material, sondern aus sehr gegenwärtigem, versehen mit einer Deckschicht aus Mutterboden, der dem Anbau von Feldfrüchten oder als Pferdekoppel dient, soweit er nicht mit Bäumen bewachsen ist. Zum großen Teil besteht er aus Klärschlamm aus dem Elsterflutbecken.

Das Gesamtprofil des Berges ist durch Abbau und Verfüllung nicht verändert worden. Der sanfte Abschwung nach Osten hin besteht schon mehrere tausend Jahre in dieser Weise wie auch das steilere Abfallen nach Westen bis zum Zschampert hinunter bei einem Höhenunter-schied von 30m.

Diese Wachbergseite verleiht dem alten Ortsteil Rückmarsdorfs aus der Sicht von Frankenheim und der dorthin führenden Verbindungsstraße oder von der B181 aus Richtung Dölzig ein charakteristisches Gepräge. Die dabei erkennbare Hanglage des Ortskerns mit Wachberg und Wasserturm im Hintergrund gibt ein reizvolles Bild ab und besitzt mit Bezug auf die Flach-landumgebung Einmaligkeit.

Der Besonderheit der Lage am Urstromtal des Zschampert haben sich bereits Siedler in der Steinzeit und späterer Epochen nicht entziehen können. Die vor und bei dem Sandabbau ge-machten Funde auf und am Wachberg belegen die Existenz von Stämmen aus der Zeit der Linienbandkeramik (vor rund 6000 Jahren) und der Schnurkeramik (vor 4000 bis 5000 Jahren), die sich von Ackerbau und Viehzucht ernährten, aber auch eine Besiedelung zur Bronzezeit (vor etwa 3000 Jahren) und zur Eisenzeit (vor etwa 2000 Jahren) sowie zu jener Epoche, als sich germanische Stammesverbände (vor etwa 1500 Jahren) in unserer Gegend aufhielten.

1482 wird in einer alten Urkunde die Erhebung noch als „Rigmersberg“ (Rückmarsdorfer Berg) bezeichnet. Vom Dreißigjährigen Krieg an wurde er, wie einige andere auch, „Wachberg“ oder „Wachtberg“ genannt, denn von ihm aus konnten heranrückende Söldnerscharen, vor allem, wenn sie auf staubigen Wegen einherkamen, schon auf weite Entfernung ausgemacht werden, wonach im Dorf entsprechende Warnungen verbreitet wurden. In Kriegszeiten spielte der Hügel oberhalb des 34 Gutshöfe zählenden Dorfes oft eine wichtige Rolle, auch in dem genannten schrecklichen Krieg europäischer Machtblöcke.

1631 hielten sich u.a. die Truppen der Generäle Pappenheim und Tilly hier auf. 1632 belager-te der kaiserliche General Holk Leipzig und orientierte sich vom Wachberg aus und im Oktober 1642 in ähnlicher Weise der schwedische General Torstenson. Im Dezember 1645 lagerte General Wrangel(Schweden) mit seinen Regimentern an unserem Endmoränenhügel.

Am längsten musste sich der Wachberg rund 100 Jahre später eine militärische Besetzung gefallen lassen: 1745 lagerte im II. Schlesischen Krieg drei Monate lang fast die gesamte sächsische Armee unter dem Befehl des Grafen Rutowski auf ihm und in seiner Nähe in Er-wartung eines Angriffs der Preußen unter Friedrich II. Im Heimatmuseum wird in Originalfas-sung eine Karte aufbewahrt, die die Standplätze der Armeegruppen zeigt. Einer davon berührt die rund 190 Jahre später dort angelegte Straße, die jetzt Sachsenhöhe heißt, also ein Teil der Höhe war, die zum Aufmarschgebiet eines großen Teils der sächsischen  Armee vor mehr als 250 Jahren gehörte. Sie sollte den Preußen den Einzug nach Leipzig und Dresden verwehren. Strategische Unterlegenheit und andere ungünstige Faktoren erkennend, zogen sich die Sachsen jedoch beim Heranrücken der Preußen zurück, und Rückmarsdorf blieb es erspart, Schlachtfeld zu werden.

Zu besonderer militärischer Bedeutung gelangte der Wachberg wieder am 2. Mai 1813, als in der Frühjahrsoffensive der französischen Truppen der preußische General Friedrich Kleist den Auftrag des königlichen Oberkommandos ausführte, mit lediglich 5000 Mann ein ganzes Armeekorps der Franzosen unter General Lauriston, das der Stadt Leipzig zustrebte, für einige Zeit aufzuhalten, deren Eintreffen in Lindenau zu verzögern und damit in der Folge eine Unter-stützung Napoleons bei Großgörschen (berühmte Schlacht am gleichen Tage) zu verhindern. Das gelang Kleist trotz Unterlegenheit bei geringen eigenen Verlusten durch taktisch kluges Vorgehen bei den Kampfhandlungen.

Auch zur Zeit der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 führten Truppenbewegungen über den Wachberg.

Nachdem bereits bis etwa 1900 ein Gedenkstein, die Völkerschlacht betreffend, in der Nähe des Wachbergs gestanden hat, wurde anlässlich der 175-Jahr-Feier 1988 von Rückmarsdorfer Heimatfreunden am Wasserturm ein neuer Gedenkstein in der Art der Apelsteine zu Ehren Friedrich Kleists, Graf von Nollendorf, und seiner IV. Kolonne errichtet.

Im 2. Weltkrieg wurde 1942 im südlichen Bereich des Gipfels das Gebäude einer Flugwache mit Turm in Holzbauweise errichtet. Diese Station stand im Rahmen der Flugraumüberwachung mit einer Flakbatterie in Leipzig-Schönau in Verbindung. Die Besatzung der Rückmarsdorfer Flugwache bestand vor allem aus Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr Rückmarsdorf, die auf dem Wachberg ihren Kriegsdienst als Luftwaffensoldaten leisteten.

In der Zeit um 1965 wurde östlich des Wasserturms in seiner unmittelbaren Nähe ein Beton-bunker angelegt, der in der Zeit der DDR-Machthaber militärischen oder auf die Staatssicher-heit bezogenen Zwecken dienen sollte. Eine Nutzung ist jedoch nicht erfolgt, 1995 wurde der Eingang verschüttet, Böschungen wurden angelegt, und die Oberfläche des Bunkers kann als kleine Aussichtsplattform genutzt werden.

1825 wurde auf ihm eine holländische Windmühle errichtet und über hundert Jahre lang zu einer weithin sichtbaren Landmarke. Sie stand etwa 100m südlich des später erbauten Wasser-turms und nutzte vorteilhaft den oberhalb der Flachlandumgebung etwas stärker wehenden Wind, wie ihn Spaziergänger auch heute dort oben stets noch zu spüren bekommen. Kurz nach 1930 wurde die Mühle, baufällig geworden, wieder abgerissen.

Eine hellgraue Granitsäule gleich neben der Südfront des Wasserturms weist auf eine der bedeutendsten geodätischen Leistungen des 19. Jhs. hin: die äußerst exakte sächsische Land-vermessung von 1862–1870.

Der Monolith war einer der 180 Vermessungspunkte der II. Kategorie und trägt die Aufschrift „Station Wachberg der Königlich-Sächsischen Triangulirung 1865“. Nur wenige dieser Markie-rungssteine sind noch vorhanden, auch in Rückmarsdorf ging ein Stein dieser Art im Osten des Ortes beim Kiesabbau verloren. Die Säule auf dem Wachberg war nach 1945 beschädigt worden. Rückmarsdorfer Heimatfreunde restaurierten sie 1986 und ließen sie unter Denkmal-schutz stellen.

Noch vor dem Abriss der alten Windmühle erhielt der Wachberggipfel ein neues, noch impo-santeres Wahrzeichen, den 1914/15 erbauten, 23m hohen Wasserturm , der mit seinem zylinderförmigen Baukörper, den 16 rundum aufragenden Pfeilern und Pfeilernischen im Wechsel und seinem flachgewölbten Kegeldach mit ausgezogener Spitze unter Denkmalschutz steht und schon vielen Fotografen für Bildbände und Kalender als Motiv gedient hat.

Er gehörte zu dem 1915 für Rückmarsdorf geschaffenen Trinkwassersystem. Das Pumpwerk mit Tiefbrunnen wurde an der heutigen Straße An den Linden errichtet und leitete das Wasser zum Wachberg, wo es in den im oberen Drittel des Turmes angebrachten Kessel floss, der 150 m² Trinkwasser fasste und als Speicher und Druckerzeuger für das Leitungsnetz im tiefer gelegenen Ort diente. Der Überlauf vom Wasserturmkessel führte in den Dorfteich am Fuße des Berges. 1984 wurden Pumpwerk und Turm stillgelegt und die Rückmarsdorfer Leitungen an die Wasser-versorgung der Stadt Leipzig angeschlossen.

Schließlich ist es noch notwendig, den Wachberg unter natur- und heimatkundlichen Gesichts-punkten zu betrachten: Nachdem bereits kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg drei Linden auf dem bis dahin völlig kahlen Gipfel gepflanzt worden waren und nachdem es diese auf eine stattliche Größe gebracht hatten, sind um 1900 auf dem Abhang an der Westseite Gruppen von Birken gesetzt worden, die mit ihren weißen Stämmen das reizvolle Bild von der Anhöhe oberhalb des so Schwanenweges noch aufwerteten.

In früheren Zeiten, als die Luft kaum Staubpartikel enthielt, konnte man vom Wachberg aus mitunter bis zu 40km weit sehen, z.B. zumindest die Kirchtürme bis zur Saale hin erkennen, so dass man ihn als den „Berg der hundert Türme“ bezeichnete.

Die letzte von den drei alten Linden aus dem Jahr 1650 war 1992 vom Sturm gebrochen worden. Üppiger Austrieb an der Basis des mächtigen Stammes ließ aber inzwischen dort einen Riesen-Lindenbusch entstehen. Seit 1838 (bis 1994) bildeten diese drei Linden das Siegelsymbol der Rückmarsdorfer Gemeindeverwaltung. Im Emblem des Ortschaftsrates, der Freiwilligen Feuerwehr, der Sportvereine und des Heimatvereins ist es noch heute enthalten.

Innerhalb der dicht bebauten Rückmarsdorfer Flur bildet der Wachberg mit seinen welligen Rasenflächen, seinem lockeren Baumbestand und seinem Ausblick auf die Umgebung eine grüne Oase, die so manchen Besucher zum Verweilen einlädt.

Mit dem Wachbergfest wird in anderer Weise eine Tradition fortgesetzt, die möglicherweise schon vor mehr als tausend Jahren begründet worden war. Belegt aus dem Jahr 1755 aber ist, „dass es in Rückmarsdorf Mode sei, dass sich bei Hochzeiten Braut und Bräutigam mit ihren Gästen und mit Musikanten auf den Wachberg begeben und ... eine gute Weile unter der Linde tanzen“.

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