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Willkommen

auf der Homepage des Heimatvereins Rückmarsdorf e. V.
Ausstellung "Zwischen.Welten" im Wasserturm am 4.8. und 1.9.24 ab 15 Uhr geöffnet
Tag des offenen Denkmals am 8. September 2024 ab 10 Uhr im Wasserturm

Das neue Rückmarsdorf-Buch
aus dem Inhalt

Wie unser Dorf zu seinem Namen gekommen ist
 Vom Wirken des Grafen Wiprecht von Groitzsch

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Die Bettelspende zum Seelenheil eines Fräuleins von Brandenstein
    Ursache, Verlauf und Ende des Spendefests

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Fragile Fakten
   Rätsel um den Rückmarsdorfer Tetzelkasten

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Die einzigartige Stockmühle am Zschampert
   Neue Erkenntnissen zur Alten Teichmühle von 1704

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Meine Schule
    Von Schulen neueren und älteren Datums

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Mosaiksteine zur Vermessung der Erde
    Die Bedeutung der Leipziger Triangulierungssäulen

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Zigarren Marke »Stellwerk«
     Über die Eisenbahn und eine Zigarrendreherin

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Der Turm auf dem Berg der 100 Türme
     Das Rückmarsdorfer Wahrzeichen, der Wasserturm

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Wir machen Musik
     Vom Harmoniumbau in Rückmarsdorf 1915–1952

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Ausdruck amtlicher Würde
     Unser Art-Déco-Rathaus mit Gefängniszellen

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Als die Bomben fielen
      Luftkrieg in den Jahren 1943–1945

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Der japanische Prinz
      Die kurze Kriegs-Romanze eines fremden Musikers

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»War is over!«
       Der 17. April 1945 in Rückmarsdorf und die Zeit                     kurz danach

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Die sich um die Heimat kümmern
     Vom Sammeln und Pflegen großer und kleiner Dinge

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Mein mythischer Stein
      Die Wiederentdeckung unseres Menhirs

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Seume-Stube im Heimatmuseum

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Artikel des Monats

Die Straßennamen in Rückmarsdorf Teil 3

Die Namen der Straßen von Rückmarsdorf erweisen sich bei genauerer Betrachtung als aufschlussreiche Dokumente zur Entwicklung des Ortes, sie bewahren und berichten Wissenswertes aus seiner Geschichte, aus der Natur und von den Menschen, die hier gelebt und gewirkt haben.

Aus „Rückmarsdorf – Straßennamen erzählen Vergangenheit und Gegenwart eines sächsischen Dorfes“, Heimatverein Rückmarsdorf, 2006

Brandensteinstraße

Die Brandensteinstraße stellt die Verbindung mit Lindennaundorf her. An ihr lag auf einer Länge von 550m die Mehrzahl der ursprünglich 34 Gehöfte, die sich im Mittelalter, von Merseburgs bischöf-licher Obrigkeit beeinflusst oder organisiert, nach und nach etabliert hatten. Hier bildete sich das Straßendorf aus. Den nördlichen Endpunkt markiert die auf dem höchsten Punkt der bebauten Dorf-anlage errichtete Kirche. Die romanische Chorturmanlage aus dem 12. Jh. wurde 1715 vergrößert und im Stil des Barock ausgestattet. Der Turm wurde 1905 auf die Höhe von 25m aufgestockt und mit einem neuen Geläut von drei Glocken versehen. Das Portal im Sockel des ostseitig stehenden Kirchturms hat trotz einiger Umbauten seinen romanischen Charakter aus der Zeit der Errichtung der Kirche erhalten. Eine Klinkermauer umfasst den Kirchhof, bis 1900 hatte er als Friedhof gedient. Folgt man dem Straßenverlauf von der Kirche aus begegnet man links dem 1877 erbauten Schul-haus. Den dreieckigen, alten Dorfplatz erreicht man 200m weiter. Er war in früheren Jahrhunderten zentraler Ort für Veranstaltungen der Dorfbewohner und für Schausteller. Unmittelbar darauf folgt linksseitig das Grundstück mit der bis 1960 betriebenen Dorfschmiede. Von der Kirche aus rechts-seitig treffen wir auf die Anwesen, die zumeist handtuchartig nach Westen bis zum Zschampert reichen, bis ins 19. Jh. durchweg Bauerngehöfte mit dahinter liegenden Streuobstwiesen und Gemüsegärten, teilweise auch direkt neben dem Bach mit Teichen.

Mit dem Namen der Brandensteins verbindet sich eine für den Ortsteil Rückmarsdorf bis Anfang des 20. Jhs. währende 400jährige geschichtliche Prägung durch die „Brandensteinsche Stiftung“ aus dem Jahr 1509. Von dieser Zeit an gab es ein jährlich wiederkehrendes Ereignis, das von sozialer, ökonomischer, kultureller und religiöser Bedeutung war, das Rückmarsdorfer Spendenfest, das folgenden Ursprung hatte: Ein Fräulein Christina von Brandenstein aus dem Rittergut Dölkau, west-lich von Rückmarsdorf gelegen, befand sich im Jahre 1508 oder 1509 auf dem Weg zur Michaelis-messe (Herbstmesse) nach Leipzig. In der Nähe von Rückmarsdorf erkrankte sie akut oder hatte sich verletzt. Es ist nicht auszuschließen, aber auch nicht nachzuweisen, dass sie vom Pferd gestürzt war. Auf jeden Fall wurde sie in ein Rückmarsdorfer Bauerngut gebracht und dort gesund gepflegt. Besonders ein Caspar von Weißbach, der damalige Pleban Johannes Claus und ältere Damen haben sich um sie gekümmert. Aus Dankbarkeit übertrug Christina aus dem Besitz ihrer Familie der Altgemeinde Rückmarsdorf ein an das Domholz grenzendes Waldstück in der Elsteraue. Außerdem verfügte sie eine so genannte Seelgerätstiftung. Dies gehörte zum Brauchtum des Mittelalters, waren also katholisch geprägt und sollten die damals verbreitete Furcht vor dem Fegefeuer mindern helfen. Die von den Brandensteins verfügte Stiftung umfasste:

eine Seelenmesse für die Verstorbenen,
ein Seelbad für die Armen und
eine Speisung für die „Laien“ und den Geistlichen.

Je größer die Zahl der Fürbittenden war, umso größer konnte die Zahl der (durch Bäder und durch Nahrungsmittel) erquickten Armen werden. Und je größer und reichlicher die Mahlzeiten der Geist-lichen ausfallen konnten, desto besser, glaubte man, sei es für die „Erlösung“ der „sündigen Seelen“. Arme erschienen so nicht als Bettler bei den Stiftungsfesten, sondern als „Fürbitter“ bei der „Seelenmesse“ für Verstorbene, waren also Anspruchsberechtigte auf die Gaben, die von den Guts-besitzern der Gemeinde bereitzustellen waren. Das „Seelbad“ unterstützte das Bedürfnis der vielen armen Leute, die meist recht grobe Kleidung trugen und kein Geld für Badegeräte oder Feuermate-rial besaßen, sich baden zu können. Für das Seelbad war ein großer steinerner Trog beschafft worden, von dem ein Reststück 1984 bei Umbauarbeiten an der Kirche gefunden worden ist. Als Mittel für die Ausrichtung der jährlichen Stiftungsfeste dienten Erträge und Zinsen von Äckern, Wiesen, Waldstücken, Grundstücken und Weinbergen sowie jährlich festgelegte Abgaben an Nah-rungsmitteln und Getränken von einzelnen Gutsbesitzern. Nach der Reformation beschränkte sich das Stiftungsfest auf die Speisung und einen Gottesdienst. Bedeutsam im Rahmen der Stiftung ist aber vor allem auch die Schenkung des erwähnten Waldes an der Luppe. Christina von Branden-stein übereignet der Rückmarsdorfer Altgemeinde 72 Acker Wald. (Eine Hufe betrug etwa 15 bis 30 Acker, für Sachsen bedeutet das etwa 12ha.) Die Spende umfasste also etwa 30ha. Zunächst wird sie nach alter Gepflogenheit eine Stiftung gegenüber der dem Peterskloster Merseburg zugehörigen Ordenskirche Rückmarsdorf gewesen sein und von da aus an die aus 34 Berechtigten bestehenden Altgemeinde übergegangen sein. Das Waldstück umfasste das Gebiet nördlich des Weges, der von der Gundorf-Lützschenaer Verbindungsstraße in Westrichtung zur Domholzschänke führt und trug bis 1906 die Bezeichnung „Das Rückmarsdorfer Holz“. Das Gelände von Schlobachshof wurde Anfang des 20. Jh. dort errichtet. Die Nutzung des Waldes durch die Rückmarsdorfer war geregelt. An Grund und Boden im Ort gehörten zum Pfarrlehen 3½ Hufen und 31½ Hufen den 34 „hausbeses-senen Wirtten“. Danach wurde der Holzertrag vom Stiftungswald („Reißholzverteilung“) aufgeteilt: vier „Holzkabeln“ (Anteile, Lose), für den Pfarrer, je eine Kabel für die Güter und je eine auch für den Küster und den Schulzen. Das Lehensrecht über den Stiftungswald behielt das Rittergut Dölkau, und er wurde, wie der Gundorfer Abteiwald, vom kurfürstlichen Förster aus Böhlitz verwaltet. Von 1848 an ist er mit der Anlage eines neuen Grundbuchs auch rechtlich in den Besitz der Altgemein-de Rückmarsdorf übergegangen. Bedauerlicherweise setzte danach ein rücksichtsloser Holzein-schlag durch die Rückmarsdorfer Bauern ein, der erst durch übergeordnete Regulative bzw. durch Proteste gestoppt werden konnte. Nachdem Ende des 19. Jh. die Brandensteinsche Spende für das Dorf in verschiedener Hinsicht an Bedeutung zu verlieren begann und, die Speisung betreffend, Gefahr lief, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden, wurde sie im Zusammenhang mit der Auf-lösung der Altgemeinde (1904) nicht mehr durchgeführt. Am 8.2.1906 wurde der Beschluss ge-fasst, den Stiftungswald nach fast 400-jähriger Nutzung durch die Altgemeindeberechtigten für 700.000 Mark an die Stadt Leipzig zu verkaufen. Noch einmal brachte er ihnen damit beträcht-lichen Reichtum. Häuser und Scheunen wurden erneuert, moderne landwirtschaftliche Geräte be-schafft, Vieh oder auch persönliche Wertsachen gekauft. Einige Bauern spendeten vom Ertrag aber auch farbige Bleiglasfenster für die Kirche. Das Spendenfest mit der Speisung fand ebenfalls nahezu 400 Jahre lang jeweils am Montag der Michaeliswoche (meist Ende September) statt und war in der Zeit von 1510-1903 ein herausragendes Ereignis in Rückmarsdorf. Die Speisung der „Laien“ fand an einem Haus am Fuße des Wachbergs statt, weshalb die Gasse, an der es liegt, heute „Spende-gasse“ heißt. Fräulein Christina von Brandenstein hatte verfügt, dass arme Leute, so viel es auch sein mochten, im „Gemeindehaus“ nach der Predigt „gespeiset und getränket“ werden sollen. Es wurden jeweils nacheinander immer nur 30 Personen eingelassen, und ihnen waren zu bringen: Drei Schüsseln Rindfleischsuppe, drei Schüsseln mit Butter gekochte Erbsen und ein Stück Brot und zuletzt für jeden Mann eine Kanne Bier, für Frauen und Kinder ein Schoppen. Festgelegt war, wer von den Altgemeindeberechtigten bzw. Gutsbesitzern jeweils bestimmte Anteile beizusteuern hatte, z.B. das Rind,  und wer in welcher Weise für die Zubereitung der Speisen und Getränke bzw. die Organisa-tion des Spendenfestes verantwortlich war. Auch Pfarrer, Lehrer, Schulchor, Küster, Glöckner und Schulze hatten ihre speziellen Aufgaben. So spielte die Vorbereitung auf das Fest praktisch das ganze Jahr über eine Rolle, den öffentlichen Einrichtungen wie auch der Bauernschaft waren Ziele gesetzt. Darüber hinaus hatte sich hatte sich so eine Art Sozialbewusstsein herausgebildet, denn ein Ausschluss aus dem Aufgabenkomplex ist nicht vorgekommen. Es hatte sich natürlich auch anderswo herumgesprochen, dass es zu Michaelis in Rückmarsdorf kostenlos etwas Gutes gibt, und so fanden sich auch aus den umliegenden Ortschaften Bedürftige ein. Noch 1886 waren über 800 Personen erschienen, was die Gemeinde schließlich zu regulierenden Maßnahmen veranlasste. Ein Jahr später betrug die Teilnehmerzahl 300, davon 200 Kinder.

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